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Einzigartige Sammlung: Abenteuer-Leicas (aus PHOTODeal III/1997) Fotografieren ist überaus beliebt, und für viele Menschen bedeutet die Beschäftigung mit dem visuellen Medium eine sinnvolle Tätigkeit. Doch was ein Fotograf und seine Leica dabei auch erleben können, wird in einer ungewöhnlichen Sammlung des Museums im Leica Camera Werk Solms gezeigt, wo durch Sturz, Feuer und Meerwasser zu Schaden gekommene Kameras und Objektive ausgestellt sind. Als stumme Zeugen erinnern die Kamerawracks an Tragödien, aber ebenso an Ereignisse mit glimpflichem Ausgang. Wenn auch die in diesem Beitrag vorgestellten Überbleibsel von einstmals hochwertigen Produkten zum Teil nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem Original haben, so wird doch die überaus hohe Qualität von Kameras und Objektiven aus Wetzlar bzw. Solms deutlich. Die glanzvolle Geschichte der Leica ist im Foyer des Leica Camera Werks Solms eindrucksvoll dargestellt. Beginnend mit einer Nachbildung der Ur-Leica von 1913, der die Prototypen 1 und 2 aus dem Jahr 1923 folgen, wird hier die breite Palette der in Wetzlar und Solms hergestellten Kameras bis hin zu den aktuellen Modellen präsentiert. Von soviel feinmechanischer und optischer Präzision ist der Besucher zutiefst beeindruckt, wendet er jedoch seinen Blick auf eine benachbarte Vitrine mit der Sammlung 'Abenteuer-Kameras' wird ihm ein anderer Aspekt nahegebracht. |
Überwiegend Reporterkameras |
Unter Eis und im Feuer
Was Gletschereis mit einer Leica anrichten kann, wird an einer Leica II deutlich sichtbar. Die total deformierte, mit einem Hektor 2,5/50 Millimeter bestückte Kamera, in der sich noch ein belichteter Film befand, war von Berg- und Skiführer Dr. Thomas Wiesinger aus Wolfsgruben, Österreich, 1993 im 'Wielinger Kees', einem Gletscher in den Hohen Tauern, gefunden worden. Nachdem sie jahrzehntelang unter dessen Eis begraben war, ist die Leica II schließlich wieder an die Oberfläche des Gletschers gekommen. Fachkundigen Einschätzungen zufolge war die Kamera in einer Höhe von 2600 bis 3000 Metern in den Gletscher gefallen, als ihr Besitzer über die Standardroute das 3564 Meter hohe 'Große Wiesbachhorn' besteigen wollte. Die Fließgeschwindigkeit des Gletschers 'Wielinger Kees' beträgt jährlich etwa 20 Meter, und so könnte sich die Kamera während ihres Aufenthalts im Eis 600 Meter weit bewegt haben, wenn ein Aufenthalt im Eis von 30 Jahren angenommen wird. Ihr Zustand erhärtet diese Vermutung. Besser als die Kamera ihre Jahrzehnte hat der weltberühmte 'Ötzi' seine annähernd 5000 Jahre unter Gletschereis überstanden. 'Ötzi' wurde zwar vom Eis am Hauslabjoch im Tiroler Ötztal konserviert, aber nicht deformiert, weil er auf einer hochliegenden Verflachung eines kaum fließenden Gletschers gelegen hat. |
Kameras im Luftschiff-Wrack
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Ebenfalls ein Opfer der Flammen ist das Summicron-M 2/50 Millimeter des englischen Fotoreporters Roger Hutchings geworden. Der Fotograf wollte die Unruhen in Brixton, England, fotografieren, wobei sein Pkw umgestürzt und angezündet wurde. Im total ausgebrannten Wagen fand der Fotograf sein Summicron und das Objektiv eines anderen Herstellers. Während das ausgebrannte Summicron seine Form behalten hat, blieb vom anderen Objektiv nur ein Häufchen zerschmolzener Teile übrig, das an erstarrte Lava erinnert. Der Kommentar des englischen Fotografen: 'Metallgefaßte Leica-Objektive halten jeder Situation stand, das verstehe ich unter 'Made in Germany', auch wenn dieses Objektiv nur noch als Briefbeschwerer taugt.'
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Leicaflex stürzte 8000 Meter tief
Einen Fallversuch besonderer Art überstand eine Leicaflex SL 2 MOT über der kalifornischen Wüste: im freien Fall stürzte sie 8000 Meter ab und kam mit relativ geringfügigen Beschädigungen davon. Es ist die Leicaflex des amerikanischen Bildjournalisten Mark Meyer, der sich auf Flugzeugaufnahmen spezialisiert hat und mit Leitz-Objektiven von 19 bis 800 mm Brennweite praktisch alle westlichen Flugzeugtypen im Flug, am Boden und bei Kampfübungseinsätzen fotografiert hat. |
Rettung mit dem Schleudersitz Erst ein Jahr später brachte ein Manöver der US-Marine-Infanterie das 'missing link' wieder ans Tageslicht. Beim Eingraben stieß ein Granatwerferführer auf die Kamera. Vergeblich versuchte Obergefreiter Thomas Fisher in seiner Einheit den Verlierer des Apparates zu ermitteln. Da sich die Kamera nicht öffnen und auslösen ließ, legte er sie schließlich bis zu seiner Entlassung vom Militärdienst beiseite. Es vergingen wieder Monate, bis Fisher in seiner Heimat an der Ostküste der USA eines Tages einen Fotohändler bat, den Film aus der Kamera zu nehmen und entwickeln zu lassen. Bei Abholen der Kodachrome-Dias, denen das volle Jahr im heißen Wüstensand nichts ausgemacht hatte, erschien ihm der Reparaturpreis für die Kamera zu hoch und er ließ sie im Geschäft zurück. Durch Zufall sah Wochen später ein Leitz-Vertreter die lädierte Kamera und erkundigte sich nach der Ursache der Beschädigung. Als er von den Flugzeugaufnahmen hörte, erinnerte er sich an einen Zeitungsbericht über die Luftkatastrophe und die vermißte Kamera. Man ermittelte Meyer und stellte fest, daß es tatsächlich die vermißte Leicaflex war. So sehr der Fotograf sich über die Wiederauffindung der Kamera freute, so sehr bedauerte er den Verlust der Farbdias. So begann erneutes Suchen nach dem unbekannten Finder, von dem nur der Nachname durch die Filmentwicklung bekannt war. Über alte Rekrutierungsakten wurde Fisher schließlich gefunden, und er lieferte die Dias gegen Empfang des ausgesetzten Finderlohns in Höhe von 500 US-Dollar ab. Fast zwei Jahre nach dem Absturz hatte Meyer endlich seine Kamera und die Dias des unglücklichen Fluges zurück. Obwohl die Reparaturkosten sich lohnen würden, bleibt die Leicaflex unrepariert, um im Museum des Leica Camera Werks in Wetzlar die Robustheit deutscher Präzisionsarbeit zu dokumentieren.
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Preisgekrönte Fotos mit zerbeultem Obiektiv
Es sah schlimm aus: Das UVA-Filter war zersplittert und das Objektiv-Vorderteil stark beschädigt. Der Einstellring war völlig verbeult und ließ sich nur noch mit Gewalt bewegen. Auch der eingedrückte Blendenring konnte nur noch schwer gedreht werden. Das Glas des siebenlinsigen Objektivs schien dagegen nichts abbekommen zu haben, und auch der Bajonett-Anschluß war offensichtlich noch heil. Da Valli für den Abschluß seiner Reportage auf das ultralichtstarke Objektiv nicht verzichten wollte, verwendete er es auch weiterhin. Nach der Heimkehr zeigten die fertigen Fotos, daß das Objektiv offensichtlich optisch nicht gelitten hatte, denn alle Aufnahmen waren einwandfrei. Der Fotograf sandte das Summilux-R direkt nach Solms ein, wo es jetzt im Leica Museum gezeigt wird. Bei der Prüfung zeigte es sich, daß bis auf einen kleinen Zentrierfehler keine optischen Mängel an dem schwer beschädigten Objektiv festzustellen waren. Die besonderen Fertigungsmethoden von Leica, die u.a. hohe Stabilität und optimalen Schutz des optischen Systems zum Inhalt haben, wurden damit wieder einmal unter Beweis gestellt. Die Bildserie, die Eric Valli gerade aufnahm, als ihm das Mißgeschick passierte, wurde übrigens weithin abgedruckt und bekannt. Bei dem internationalen Wettbewerb um das 'Pressefoto des Jahres' wurde die Serie von der Stiftung 'World Press Photo', Holland zudem mit dem ersten Preis der Kategorie 'Natur-Serie' ausgezeichnet. |
Rennpferd rannte Fotografen um Viereinhalbmal raste das Tier um die Bahn, bis es schließlich gestoppt werden konnte. Heinz Briel erlitt bei dem Zusammenstoß eine stark blutende Platzwunde über der Augenbraue, jedoch glücklicherweise sonst keine schwerwiegenden Verletzungen, wie die anschliessende Untersuchung in der Frankfurter Uniklinik ergab. Für den Fotografen war der Zusammenprall mit dem Rennpferd glimpflich ausgegangen - nicht so für seine R4. Das Gehäuse war durch einen Huftritt des Pferdes regelrecht zerplatzt, dagegen hatte das an der R 4 angesetzte Summilux-R 1,4/80 Millimeter noch nicht einmal eine Schramme abbekommen und konnte weiterhin uneingeschränkt verwendet werden. Als Heinz Briel mit der schrottreifen Kamera einige Tage später beim Leica Kundendienst in Solms erschien, schaute der Kundendienstmitarbeiter zuerst auf Briels blau-grün verfärbte Augenbraue, dann auf die Kamera und zeigte durch verständnisvolles Nicken dem Fotografen sein Mitgefühl. Die Prüfung beim Leica Service ergab, daß die Kamera nicht mehr zu reparieren war. |
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Beim Anblick der Abenteuer-Kameras dürfte sich die Phantasie des Betrachters entfalten, wird ihm doch drastisch vor Augen geführt, was seiner Leica und auch ihm alles widerfahren kann. Jedoch sollten sich die Besitzer von Leica Kameras nicht beunruhigen lassen, denn Katastrophen sind nicht alltäglich, und so ist die Wahrscheinlichkeit, sein wertvolles Gerät auf diese Art zu verlieren, doch relativ gering. Allerdings bilden waghalsige Bergtouren, Segeltörns bei Windstärke acht oder das Besteigen von Kirchtürmen ebenfalls Gefahrenpunkte für den Fotografen und seine Ausrüstung. Die meisten Besitzer von Leica Kameras haben vermutlich kein Bedürfnis nach riskanten Expeditionen auf Himalayagipfel oder an den Südpol. Eher dürfte die fotografische Beschäftigung in gemäßigten Zonen im Mittelpunkt stehen, und wer fotografisch zu sehen imstande ist, kann überall visuelle Abenteuer erleben und die Welt durch den Sucher seiner Kamera erobern. |
Weitere Leseproben:
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