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Leseprobe: Motorkameras
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Profi-Giganten: Motorkameras und Kameramotoren (2) (aus PHOTODeal I/2008)

Die Nikon F setzte 1959 in vielerlei Hinsicht einen neuen Standard für Profifotografen, vor allem aber etablierte sie die Option für einen motorischen Filmtransport als obligaten Bestandteil der Pressefotografie. Die Mitbewerber kamen nicht umhin, sich in dieser Hinsicht Gedanken zu machen. Wer es dennoch nicht tat, kam zu spät.

Nun war es nicht so, dass mit dem Erscheinen der Nikon SP und der Nikon F schlagartig nur noch Motorkameras gefragt waren – die Motoren waren sehr teuer, die Kameras mussten für den Motoransatz vorbereitet werden, und daher waren sie besonders zu ordern und aufpreispflichtig. Dennoch kam das motorisierte Fotografieren allmählich aus der Spezialkameranische, in der sich die Firma Berning mit der Robot häuslich eingerichtet hatte, heraus und rückte ins Blickfeld der Allgemeinfotografie.

Nicht berücksichtigt werden hier motorische Systeme, die für den stationären Gebrauch gedacht waren (wie die Agfa Registrierkamera oder der Baldamat) bzw. reine Amateurkameras (wie die Agfa Selecta m). Es geht um motorisierte Systemkameras für Profis und ambitionierte Amateure (bzw. Fans der entsprechenden Maschinerie). – Die heute fast vergessene Firma Topcon brachte 1962 eine Reflex auf den Markt, die an sich konventionell ausgestattet war: Schlitzverschluss, Exakta-Bajonett (aber mit automatischer Innenspringblende), Wechselsucher, Belichtungsmessung nur über zeitgekuppelten Aufsatzbelichtungsmesser. Ein Blick auf den Kameraboden zeigt das Extra, den Motoranschluss, der bei diesem "RS" genannten Modell – ich meine erstmals – serienmäßig vorgesehen war. Der Motor selbst ist einigermaßen monströs, durchaus schnell (gut 3 Bilder/sec) und kann mit dem außen ansetzbaren Batterieteil auch frei Hand benutzt werden. Gern tut man das allerdings nicht, denn der Griff ist fast zu groß, das Gewicht (mit Batterien und Normalobjektiv) liegt deutlich über 2 kg, und diese Fotografiermaschine sieht nicht nur klobig aus, sondern sie ist es auch. Die Transportgeschwindigkeit lässt sich wählen (3 – 2 – 1,5 Bilder/sec), und es ist auch eine Umschaltung zwischen Einzel- und Serienaufnahmen vorgesehen. Raffiniert ist die Möglichkeit, mit ein- und demselben Motor sowohl Normalfilm mit der Standardrückwand als auch das ansetzbare 250er Magazin zu nutzen – Nikon benötigte bei der F damals noch zwei unterschiedliche Motor-Rückwandeinheiten. Der Trick war eine etwa 2 mm starke Metallplatte, die vom Motor abgenommen werden konnte, um die 250er-Rückwand mit ihrer Bodenplatte einzuschieben. Das Zählwerk des Motors (für die automatische Endabschaltung) ist denn auch auf 250 Aufnahmen ausgelegt. Für Mechanik-Fans ist es erfreulich, dass die Auslöseübertragung nicht intern, sondern extern über einen knorrigen Hebel erfolgt, da sieht man, was sich tut. Die Topcon RS war nur ein Jahr auf dem Markt, dann folgte die ruhmreiche RE super (natürlich ebenfalls mit Motoranschluss), die äußerlich sehr ähnlich war, doch als entscheidenden Fortschritt die Lichtmessung durch das Objektiv meisterte. Von der RS wird es kaum mehr als 2000 Exemplare geben.

Topcon RS Bild links: Mit angesetztem Motor und Langfilmmagazin für 250 Aufnahmen ist die Topcon RS nicht nur eine seltene, sondern auch imposante Erscheinung, die in dieser Kombination aufgrund ihrer Unhandlichkeit freilich eher für den stationären Einsatz prädestiniert sein dürfte. Ins Auge springt der frontseitig angebrachte schwarze Zylinder, der die Stromversorgung beinhaltet, die über den an der Unterseite befindlichen Anschluß alternativ aber auch per Stromnetz erfolgen kann. Selbst ohne Langfilmmagazin ist die Einheit nicht gerade als ausgewogen zu bezeichnen, sie erfordert durch ihre Kopflastigkeit kräftiges Zupacken.

Asahi schaffte 1964 mit der Spotmatic (die viele fälschlich statt der Topcon RE super für die erste TTL-Spiegelreflex halten) einen großen Sprung nach vorn. Der Kamera fehlten zwar einige Profi-Features – insbesondere war der Prismensucher nicht wechselbar – aber sie war relativ preiswert, bot das universelle M42-Gewinde, und vor allem war sie unglaublich robust. Insofern sah es eine Zeit lang so aus, als könne sich Asahi in die Spitzengruppe der Reflexhersteller einreihen und sich auch im Profisegment etablieren. Dementsprechend wurde auch eine motorisierte Version der Spotmatic und ihrer Nachfolgemodelle entwickelt, aber bei Asahi mussten bis zum Erscheinen der K2DMD (1975) die Motorversionen extra geordert und bezahlt werden. Es gab für diese Kameras auch 250er Rückwände und spezielle Data-Backs. Der Motor war relativ kompakt unter der Kamera angeordnet, dazu kam der ergonomisch ordentliche Handgriff mit der Energieversorgung. Pentax Asahi Eine Spotmatic mit Motor fehlt mir, aber die ES II motor drive ist in dieser Hinsicht recht ähnlich aufgebaut. Die Einheit ist mit 1800 g – vergleichsweise – leicht. Der Motor steht dem ganzen Kamerasystem in seiner Robustheit nicht nach, und wie bei der Nikon F hatte ich hier nie Probleme mit dem Zusammenwirken aller Komponenten (was z. B. bei der Topcon oder der Leica M4 M durchaus der Fall war). Das Geräuschniveau ist akzeptabel, für meine Ohren ist die Pentax sogar etwas leiser als die motorisierte Nikon F, die Leicaflex SL oder auch die Topcon. Originelles Detail: Das Ladegerät wird einfach anstelle der Kamera auf den Motor geschraubt, selbst beim Ladevorgang wackelt also nichts.

Bild links: Gegenüber dem Leicaflex-Motor fast schon filigran (von der Alpa-Lösung ganz zu schweigen) kommt der Motorantrieb der Pentax ES II daher. Wie bei Leitz ist dafür freilich ein spezielles Gehäuse erforderlich, an die normale Pentax ES oder ES II läßt sich der Motor nicht ansetzen. Warum das weder Pentax noch Leitz hinbekommen haben, die immerhin später als Nikon mit Motoren auf den Markt kamen, darüber läßt sich nur spekulieren. Immerhin hatte Nikon bei der legendären "F" bereits vorgemacht, daß es nur einer geringfügigen Modifizierung im Gehäuseboden bedurfte, um die Kamera nachträglich für den Motorbetrieb umzurüsten.

Zunächst ein „Fremd“-Motor
Leitz hatte ja in den fünfziger Jahren durchaus an einer Motorversion der M-Leica gearbeitet, aber das System nicht weiter entwickelt bzw. nicht auf den Markt gebracht. Da die Leica M lange Zeit eine der führenden Profikameras war, entstand aber doch Nachfrage nach einem Motor, und ein solcher wurde in den USA in den sechziger Jahren von einer Fremdfirma auch entwickelt und angeboten. Die New Yorker Leitzniederlassung kaufte die Konstruktion an und richtete zunächst die Leica M2, später auch die M4, für den Motor ein. Diese Kameras wurden teilweise mit der zusätzlichen Gravierung M bzw. MOT versehen. Eine solche M4 M hatte ich vor Jahren (ich habe sie abgegeben, sie war für meine Art des Sammelns einfach zu teuer), so ganz problemlos funktionierte sie eigentlich selten, es haperte beim Kontakt Motor – Kamera, aber vielleicht war das ja nur bei meinem Exemplar so. Maximal schaffte der Motor 3 Bilder/sec. Die motorisierte M4 wurde schließlich auch in Deutschland angeboten; 1969 kostete das (stets schwarz lackierte) Kameragehäuse 1959 DM (die schwarz lackierte normale M4 dagegen "nur" 1050 DM), und für den Motor selbst kamen nochmals 2008 DM hinzu. Logisch, dass da die Stückzahlen klein blieben, nämlich bei insgesamt unter 1000 Exemplaren. Daher liegt das Preisniveau bei den Sammlern auch deutlich oberhalb des Neupreises.

Leitz Leica M Bild links: (Fast) quadratisch, praktisch, teuer, könnte man in Abwandlung eines bekannten Werbeslogans sagen. Im Konstrukteursteam haben sich offensichtlich mehr die Pragmatiker gegen die Designer durchgesetzt. Zudem erfordert der Gebrauch des Motors ein spezielles SL-Gehäuse mit dem Zusatz "mot".

Auch bei Leitz: Spezialgehäuse erforderlich
Nicht ganz so exquisit und heute manchmal sogar sehr erschwinglich, aber immer noch selten ist die motorisierte Version der Leitz Spiegelreflex, die 1968 als Leicaflex SL mot auf den Markt kam (später folgte dann die SL 2 mot nach, von beiden Versionen zusammen wurden in zwölf Jahren insgesamt etwa 2000 Exemplare verkauft). Auch hier zunächst ein Blick auf den Preis: Das SL mot Gehäuse kostete neu 1836 DM (die schwarze SL dagegen 1602 DM), insofern war der Aufpreis für das auf den Motoreinsatz vorbereitete Kameragehäuse nicht so heftig wie bei den M-Leicas. Der Motor selbst war aber nicht wirklich günstiger als der für die M4 M: 1836 DM waren 1969 dafür zu berappen. Eine von Leitz bereits angekündigte 250er Rückwand gelangte nie auf den Markt. – In der äußeren Gestaltung ist dieser Motor gelinde gesagt schlicht ausgefallen: Ein großer Kasten, der den Antrieb und die Energieversorgung (10 AA Batterien) enthält. Praktisch ist, dass man das Batteriefach komplett und mit einem Handgriff wechseln kann. Es ist idiotensicher konstruiert, man kann nichts falsch machen und ist mit einem Reservefach immer auf der sicheren Seite. Die Einheit ist nicht nur groß, sondern auch schwer; eine Leicaflex mit Motor und Normalobjektiv wiegt deutlich über 2 kg, liegt aber einigermaßen günstig in – möglichst kräftigen – Händen. Die Auslösung erfolgt an der Motorvorderseite, was dann folgt ist wie üblich laut und schnell. Leitz gab das (bei der von mir erworbenen Version des Motors jedenfalls) nicht herunterschaltbare Transporttempo mit 3,5 Bildern/sec an, mit frischen Batterien sind es eher deren vier. Für ganz Eilige gab es eine Tandemeinrichtung mit der zwei SL mot so zusammengeschaltet werden, dass sich 7 bis 8 Aufnahmen pro Sekunde erzielen lassen. Auch bei der Leicaflex kann man den angesetzten Motor abschalten und manuell transportieren, wenn es denn leiser abgehen soll.

1968 war der Leitz-Motor noch einigermaßen konkurrenzfähig, aber spätestens nach dem Erscheinen der Nikon F2 (Ende 1971) mit dem MD-1 und dem eingearbeiteten Handgriff sah sie aus wie ein klobiger Vorfahre aus grauer Vorzeit. Ähnliches gilt für andere motorisierte deutsche Spitzenprodukte: Der Motor für die Pentacon super aus der DDR (1968) war wohl eher für stationären Gebrauch gedacht, und auch die Contarex SE (1968) war mit langsamem (2 Bilder/sec) Motor und Handgriff deutlich schwerer und unpraktischer als die ja auch nicht eben kleine Nikon. Insofern verwundert es nicht, dass bei den drei deutschen Anbietern die Stückzahlen durchweg gering blieben.

Den Vogel in Hinsicht Monstrosität und Merkwürdigkeit schießt allerdings die Alpa aus der Schweiz ab. Schon mit dem Erscheinen des Modells 9 d (1964) werden ein Motor und ein 30 m-Magazin angekündigt, und beides ist tatsächlich in Kleinstserie gegangen. In Lothar Thewes´ Alpa-Buchklassiker (Alpa – 50 Jahre anders als andere) wird die Zahl der produzierten Motoren mit 140 angegeben, bei der Rückwand blieb es bei unter 100 Exemplaren. Vom Motor wiederum gab es zwei Ausführungen – die erste für die 9 d, die zweite mit einer stabilisierenden Halterung für die Nachfolgemodelle ab Modell 10 d. Mein Alpa-Motor gehört zum zweiten Typ und wird hier an einer Alpa 10 s mit dem Filmformat 18 x 24 mm demonstriert; das Halbformat mit der doppelten Anzahl von Aufnahmen pro Film war ja für die Nutzung eines motorischen Filmtransports nicht ungeschickt. Der Alpa-Motor ist eine der skurrilsten Konstruktionen, die ich je gesehen habe. Da die Alpa mit einer Rückwand-Bodendeckel-Einheit ausgestattet ist und keine durchgehende Spulenachse bei der Aufwickelspule aufweist, hätte die Kamera für den üblichen Motoransatz am Bodendeckel völlig umkonstruiert werden müssen, und das war bei der absehbar geringen Nachfrage für einen motorischen Transport wohl zu aufwändig. Also entschied man sich, den Motor oben auf die Kamera zu setzen und schlichtweg den Schnellschalthebel statt von Hand von einem Motor betätigen zu lassen. Das sieht abenteuerlich aus, man mag zunächst gar nicht glauben, dass so etwas funktionieren kann. Die Montage Alpa des Motors geht so vonstatten: Zuerst wird die Kamera über die Stativschraube mit einer Halterung verbunden, in diese wird der Motor auf der einen Seite eingeklinkt, auf der anderen Seite wird er am kameraseitigen Gewinde für die speziellen Alpa-Tragösen fixiert. Nun sitzt er tatsächlich sehr fest und man kann an die Justierung des Auslösegestänges gehen. Dann noch die Verbindung zur in diesem Fall netzbetriebenen Energieversorgung herstellen, und dann kommt der spannende Moment, in welchem das auch arbeiten soll…

Bild links: Eine geradezu abenteuerliche Konstruktion, die fast aus einem Stabilbaukasten für Erwachsene stammen könnte. In dem klotzigen Oberbau steckt der Motor, der mit einer mechanischen Verbindung den Transport- und Spannhebel dreht und über ein Gestänge (Foto rechts unten) die Verbindung zum frontseitigen Kameraauslöser herstellt. Mit passender Hammerschlaglackierung ist auch das rechts oben abgebildete, etwas antiquiert wirkende Steuergerät versehen.

Hier ist ein kleiner Einschub angebracht. Die in der ersten Folge besprochenen Motorkameras, also die federwerkbetriebenen Robot und Praktina sowie die batteriebetriebene Nikon F gingen klaglos, geräuschvoll und unkompliziert ans Werk – sie funktionierten einfach. Die in dieser Folge vorgestellten Kameras erwiesen sich als kapriziöser, was auch mit der Konservierungsproblematik, die ja praktisch bei jeder Art der Sammelei auftritt, zusammenhängen mag. Die Topcon RS verhakte sich nach etwa 10 Aufnahmen hoffnungslos, weder mit noch ohne Motor ist sie willens, den Film zu transportieren. Sicherlich kann der Fachmann sie auch wieder enthaken, es ist ja alles mechanisch, aber erfreulich ist das nicht. Bei der Pentax war die Energieversorgung per Akku dahingegangen, und das Besorgen passender neuer Akkus war zeitaufwendig und vor allem richtig teuer. Dann aber lief sie perfekt. Die Leicaflex SL, zum Glück mit einer Batterieversorgung ausgestattet, sagte erstmal gar nichts. Nach sorgfältiger Reinigung aller Kontakte im Batteriegehäuse und zwischen Motor und Kamera sprang sie aber an und arbeitet nun verlässlich.
Und jetzt die Alpa mit ihrem Klapperatismus…? – Sie läuft phantastisch! Fragil ist da gar nichts! Mit erheblichem Getöse und Geklacker wirtschaftet der Motor mit dem Schnellschalthebel, gut sechs Aufnahmen in 5 sec werden verarbeitet. Es ist eine Freude, da zuzuhören und zuzuschauen, ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus! Das satte Klacken des Verschlusses, das freundliche Schnurren des Motors, und eben zusehen zu können, wie er es tut: Auslöst und den Hebel spannt, das hat schon etwas, was das Sammlerherz erfreut, das in diesem Fall allerdings auch mehr als zehn Jahre darauf lauern durfte, an einen solchen Motor zu kommen.

Alexander Decker

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